DIE DUNKLE SEITE DER DIDO
Ob Henry Purcell ahnte, dass seine 1689 uraufgeführte Oper „Dido and Aeneas“ auch heute, über drei Jahrhunderte später, noch eine so bestürzende Aktualität haben würde? Dido und Aeneas sind Kriegsflüchtlinge; sie beide verloren ihren ersten Lebenspartner. In Karthago begegnen sich Dido und Aeneas – und verlieben sich unsterblich ineinander. Doch die Schatten der Vergangenheit holen sie ein: Aeneas wird von einem „Geist“ an seinen Auftrag erinnert und verlässt Karthago überstürzt. Dido verzweifelt daran und durchbohrt sich mit dem Schwert.
Henry Purcell und sein Librettist Nahum Tate stützen sich bei ihrer Oper auf das vierte Buch aus Vergils „Aeneis“. Allerdings greifen sie entscheidend in die Dramaturgie ein: Sie schaffen das gesamte Götterpersonal ab und führen, inspiriert durch Shakespeares „Macbeth“ eine Zauberin ein. Die Liebe zwischen Dido und Aeneas und ihr späteres Scheitern wird nun nicht mehr durch Götterwillkür bewirkt, sondern gestaltet sich als ein innerseelisches Geschehen. Die Sorceress erscheint dabei, wie schon in vielen englischen Theaterstücken des 17. Jahrhunderts, als eine Spiegelung von Didos dunkler Seite. Sie wird zur eigentlichen Gegenfigur, die das Böse, das Zerstörerische, den Kriegsfall zur Norm erhebt und die Umwertung aller Werte postuliert.
Wie in vielen semi-operas zu Purcells Zeit üblich, wird in der von Thomas Hengelbrock inszenierten Fassung die Sorceress von einer Schauspielerin gesungen und gespielt. Johanna Wokalek hat diese Figur durch eigene Texte, angelehnt an Busenello und Vergil, erweitert.
PRESSESTIMMEN
„Überhaupt ist es die Verinnerlichung, die am meisten bewegt, die Kraft des Leisen, die Hengelbrock zuletzt in völliger Finsternis beschwört: Jede Steigerung führt ins noch Zartere – und Chor wie Orchester sind ihm dabei die feinsinnigsten Mitstreiter. Zunächst nur konzertant geplant, hat sich die vom Dirigenten Thomas Hengelbrock konzipierte und geleitete Aufführung schließlich zu einer textlich und musikalisch erweiterten Lesart ausgewachsen, die nach 70 Minuten Jubelstürme ernten konnte.“ Die Presse
„Das Publikum konnte Dido und Aeneas an diesem wunderbaren Abend als nichts anderes als ein Wunderwerk erleben.“ FAZ